Innere Stärke: wie du deine Resilienz steigern kannst

Die vielfältigen Anforderungen in Beruf und Privatleben verlangen uns heutzutage einiges ab.

Doch kommt der Druck nur von außen? Nein, der Druck kommt nicht nur von außen, sondern ganz erheblich auch aus unserem Inneren.

Innere Muster wie beispielsweise der Hang zum Perfektionismus, schlecht Nein sagen können und Ähnliches halte ich für die stärksten „Drucktreiber“!

Deshalb fokussiere ich in diesem Beitrag auf deine innere Stärke: Was kannst du aus eigener Kraft tun, um deine Situation zu verbessern und gesund zu bleiben?

Wie kannst du deine persönliche Widerstandskraft – deine Resilienz – steigern?

Die einzige Chance, dem Druck von außen auf Dauer standzuhalten, liegt darin, die eigene innere Stärke weiterzuentwickeln

Nicht alle Beschäftigten sind auf das Resilienzkonzept gut zu sprechen, manch einer meiner Kunden muss zum Start unserer Zusammenarbeit erst einmal davon überzeugt werden, dass es nützlich sein wird, das ei- gene Wohlergehen selbst in die Hände zu nehmen, und dass dies nicht automatisch ein Eingeständnis ist, selbst schuld daran zu sein, wenn man sich überlastet fühlt.

Eine verständliche Befürchtung meiner Coachees liegt nämlich häufig darin, dass die Verantwortung dafür, wie viel Druck sie aushalten können, ihnen wie der „Schwarze Peter“ untergeschoben wird und dass es bei all dem Gerede über Resilienz nur darum geht, auch noch den allerletzten Tropfen Energie aus ihnen herauszupressen. 

Diese Befürchtung kann ich gut nachvollziehen und in manchen Fällen mag dies tatsächlich der Beweggrund einzelner Arbeitgeber sein. Ich stimme den Kritikern insofern zu, als dass natürlich auch der maximal resiliente Mensch Mindestbedingungen braucht, die erfüllt sein müssen, damit er nicht eingeht wie eine ungegossene Pflanze.

Auch wenn es wünschenswert wäre, dass sich beispielsweise das Arbeitspensum verringern ließe, glaube ich:

Die einzige Chance, dem Druck von außen auf Dauer standzuhalten, liegt darin, die eigene innere Stärke weiterzuentwickeln, statt nur zu hoffen, die Rahmenbedingungen im Unternehmen entscheidend verändern zu können.

Denn Letzteres ist nicht sehr realistisch und liegt meist nicht im Einflussbereich der Betroffenen. Die eigene Resilienz jedoch kann jeder für sich selbst weiterentwickeln – unabhängig von den Rahmenbedingungen, ganz gleich, wie auch immer die geartet sein mögen.

Im Folgenden zeige ich dir, wie das geht. 

Mit der Durchschlagskraft einer Bohrmaschine

In jedem meiner Seminare wünschen sich (vor allem) Führungskräfte in erster Linie Tools und Techniken, die leicht umsetzbar sind und in der Praxis ohne großen Lernaufwand sofort Anwendung finden können.

Weniger gefragt sind aufwendigere Strategien zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Speziell für die Herren der Schöpfung, die sich manchmal nicht allzu sehr für das Thema Selbstreflexion erwärmen können, habe ich dazu das Bild der Bohrmaschine entwickelt, das ich dir jetzt vorstelle.

Liebe Leserin, ich weiß, viele Frauen haben selbst eine Bohrmaschine, und selbst wenn nicht, wird es schnell klar, was eine Bohrmaschine mit unserem Thema hier zu tun hat.

Resilienz braucht Antrieb aus der Innenwelt 

Resilienz erwächst aus einem Bündel an Fähigkeiten, den 11 Resilienzfaktoren, die alle aus deiner Innenwelt gespeist werden.

Das Fundament, auf dem du deine schon vorhandenen Fähigkeiten weiter aufbauen kannst, ist zuallererst das Bewusstwerden der eigenen Gedanken, Gefühle, Motive, Einstellungen und Impulse. 

Wenn du dein Denken, Fühlen und Tun quasi aus der Vogelperspektive betrachten kannst, baust du damit eine wohltuende Distanz zwischen dem, was auch immer von außen auf dich zukommt – einem Reiz –, und dem, was die Situation in dir auslöst und wozu dich diese treibt – deine Reaktion auf den Reiz –, auf.

Nur wenn du bewusst eine Wahl über dein Denken, Fühlen und Handeln treffen kannst, statt sich von all den Felsbrocken des Lebens in eine Richtung steuern zu lassen, die du eigentlich nicht beabsichtigst, kannst du in dir selbst die Schutzburg bauen, die dich fast unverwundbar macht. 

Der Antrieb kommt aus der Bohrmaschine 

Tools und Techniken? Na klar!
Geht es dir genauso? Bist du begierig, einfache Werkzeuge dafür an die Hand zu bekommen?

Die wirst du bekommen. Versprochen. Denn Tools und Techniken sind eine tolle Sache.

Tatsächlich gibt es für jede noch so „harte“ Situation ein Werkzeug, das dir dabei hilft, die Härte zu durchdringen, damit dahinter der Weg zur Lösung sichtbar werden kann. 

Allerdings wäre es unrealistisch zu glauben, man könne dazu quick & easy in ein Werkzeugköfferchen greifen, um lediglich eine oberflächliche Verhaltensanweisung, eine Checkliste oder einen Überzeugungs- trick herauszugreifen, und die Sache wäre geritzt.

Ohne einen Ausflug in deine Innenwelt, um deine Gedanken, Gefühle und Einstellungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren, kommst du nicht aus - wenn du nachhaltig erfolgreich, kraftvoll
und zufrieden sein möchtest. 

Tools und Techniken sind wie die Aufsätze auf einer Bohrmaschine: Für jeden „Härtegrad“ gibt es einen speziellen Aufsatz: einen für das Durchdringen von Holz, einen anderen für Metall und wieder einen anderen für Stahlbeton. 

Diese Aufsätze sind definitiv sehr nützlich.

Aber stell dir vor, du würdest versuchen, den Aufsatz mit deinen bloßen Händen in die Wand zu bohren: Wie viel Durchschlagskraft könntest du auf diese Weise wohl erzielen?

Selbst wenn du den Aufsatz absolut passend auswählst, würdest du spätestens bei Stahlbeton feststellen, dass es so nicht funktioniert.

Um Erfolg zu haben, brauchst du die Kraft, die der Motor im Inneren der Bohrmaschine auf die Aufsätze überträgt. Nur damit kannst du selbst Stahlbeton durchdringen.

Genauso ist es bei dir: Deine Fähigkeit, „harte“ Situationen durchzustehen und zum Guten zu wenden, kommt nicht in erster Linie von Tools und Techniken, die du dir aneignest, sondern aus deinem Inneren.

In deinem Inneren findest du den Motor, der den Tools und Techniken die notwendige Durchschlagskraft verleiht. 

Der Motor der inneren Stärke

Dein „Motor“ besteht aus dem, was du denkst, fühlst und wünschst, aus deiner inneren Haltung, deiner Einstellung den Dingen gegenüber, deinen Werten und Zielen.

Dein innerer Motor ist es auch, der den Wunsch, Tools und Techniken erlernen zu wollen, speist. Aus ihm kommen unsere Motivation und unser Antrieb, etwas zu lernen und zu tun.

Vielleicht wird schon klarer, was ich mit der Ebene „Motor“ meine, wenn du mal an „Knöpfe“ bzw. empfindliche Punkte denkst, die jemand bei dir treffen kann.

Auf der Toolebene hast du vielleicht gelernt: „Wenn ich 3-mal tief durchatme, werde ich ruhiger und kann dann souverän reagieren.“

Auf der Ebene „Motor“ steht hinter dem Versuch, tief zu atmen, um sich zu beherrschen, beispielsweise der Wunsch, in einer solchen Situation souverän auftreten zu können, eine Moralvorstellung, sowie Gedanken und Gefühle einer solchen Situation gegenüber:

„Wer schreit, hat unrecht“ oder „Ich lasse mich doch nicht auf dessen Niveau herab!“ oder vielleicht „Ich fühle mich unwohl, wenn es laut wird“ .

Wir haben möglicherweise mehrfach die Erfahrung gemacht, dass wir diesen „Antitypen“, die unsere Knöpfe drücken, recht hilflos gegenüberstehen, und daraufhin hat unser Motor irgendwann den Wunsch geboren, künftig mit einem Tool gegensteuern zu können. 

Blockaden im Getriebe...

Gleichzeitig kommen aus dem Motor oft aber auch Gedanken und Vorstellungen, die das eigentliche Ziel, souverän zu bleiben, torpedieren und unterlaufen:

„So lasse ich nicht mit mir umgehen! Das lasse ich mir nicht gefallen! Das darf NIEMAND mit mir tun!!“ oder „Solche Typen konnte ich noch nie leiden, dieses Verhalten ist einfach unverschämt! Dem muss man dringend einmal die Flügel stutzen!“.

Und schon ist zwar das Tool „3-mal atmen, um das Gefühlswirrwarr zu beruhigen“ immer noch richtig und nützlich, reicht aber nicht aus, um in der Situation tatsächlich cool zu bleiben.

Oder jemand hat das Ziel, ganz bis „nach oben“ zu kommen. Das Ziel kommt aus dem Motor und treibt die Motivation an, die es braucht, sich alle dafür nötigen Techniken und Tools anzueignen. Das Ziel und die daraufhin erlernten Techniken werden den Weg nach oben befördern.

Aber gleichzeitig kann es wieder Gedanken, Einstellungen und Gefühle geben, die uns im Weg stehen, wenn sie unbewusst bleiben und deshalb nicht modifiziert werden können:

„Wenn ich ganz oben bin, kann ich endlich bestimmen, wie es läuft.“

Dabei könnte man das in Wirklichkeit weitestgehend schon jetzt und verpasst durch diese krude Einstel- lung möglicherweise das Beste im Leben – und der daraus resultierende Dauerstress ist hausgemacht. 

Oder: „Nur wenn ich bis an die Spitze komme, beweise ich, dass ich gut bin.“

Und wenn man es nicht schafft? Dann war das Leben umsonst? 

... und wie man sie löst 

Es ist also nicht nur „nice to have“ und auch kein „Psychoquatsch“, wenn wir unseren Motor durch die Reflexion unserer Innenwelt besser kennenlernen.

Ganz im Gegenteil:

Den Motor bei seiner Arbeit beobachten zu können und zu wissen, was er tut, ist schlicht notwendig, wenn wir sein Tun in unserem Sinne beeinflussen können wollen und wenn wir in der Lage sein wollen, begrenzende und unsere Ziele boykottierende Gedanken abzustellen! 

Und wenn du Führungskraft bist, ist es noch dreimal wichtiger.

Denn nur wenn du dich selbst führen kannst, ohne dabei in Stress zu geraten - also ohne entweder wie das sprichwörtliche „HB-Männchen“ an die Decke zu gehen oder ins Gegenteil zu verfallen, nämlich den Rückzug anzutreten und in Handlungslähmung zu erstarren - wirst du deine Mitarbeiter erfolgreich führen können. 

Ich würde mich sehr freuen, wenn du jetzt denkst:

„Okay, dann mache ich mich mal auf die Reise in die Innenwelt. Scheint ja wirklich nützlich zu sein.“

Und ich hoffe, du verzeihst, wenn ich dir jetzt sage: Es geht noch eine Ebene tiefer hinab in die „Psychogruft“. Denn da gibt es noch etwas: 

Strom für den Motor 

Der Motor einer Bohrmaschine läuft nur dann, wenn sie an eine Steckdose angeschlossen wird und Strom fließt.

So ist es auch mit unserem inneren Motor.

Unsere „Stromzufuhr“ liegt noch eine Ebene tiefer in unserem Unterbewussten. So wie Strom unsichtbar ist, sehen wir auch nicht, was in den Tiefen unserer Innenwelt passiert.

Und genau wie bei Strom, der eine immense Wirkung entfaltet, obwohl wir ihn nicht sehen können, nimmt unsere Stromzufuhr aus dem Unterbewussten erheblichen Einfluss auf unsere Gedanken, Motive und Wünsche und treibt sie an, so wie Strom den Motor der Bohrmaschine. 

Von uns meist unbemerkt, bestimmt diese dritte Ebene, was wir fühlen, denken und damit letztlich, was wir tun. 

So kommt es, dass wir auf einen Reiz häufig wie ein ferngesteuerter Roboter reagieren, ohne dass uns das auch nur auffallen würde. Wir sind im „Robotermodus“.

Bezogen auf das Beispiel von weiter oben, in dem jemand denkt (Motor), nur wenn er es ganz nach oben schafft, hätte er bewiesen, dass er gut ist, könnte die „Stromzufuhr“, der Beweggrund aus der Tiefe, für diesen Gedanken in etwa folgendermaßen aussehen:


Vielleicht hat vor langer Zeit der Vater einmal
oder mehrfach etwas gesagt wie „Aus dir wird
sowieso nichts Rechtes“, und jetzt möchte man
ihm unbedingt beweisen, dass man eben doch in der Lage ist,
eine herausragende Karriere hinzulegen.

Oder man hat sich in den Aufstiegsgedanken verbissen, weil man sich insgesamt klein und minderwertig fühlt, weil man einige Male nicht das geschafft hat, was man sich vorgenommen hat, und sich jetzt angestrengt beweisen will.

Ehrgeiz ist an sich vollkommen in Ordnung.
Wenn er uns allerdings beherrscht
und wir fast schon
besessen davon sind, wird
er uns das Leben vermiesen,
und wieder einmal haben wir uns Stress hausgemacht.

Die gute Nachricht:

Schon allein dadurch, dass uns der Input aus dem Motor und seiner Stromzufuhr bewusst wird, verlieren die schwächenden Inhalte an Macht über uns.

Und die stärkenden Anteile aus den beiden Ebenen, die es ja Gott sei Dank genauso gibt, können wir dann gezielt für unseren Erfolg und den Aufbau von mehr innerer Stärke nutzen.

Aber dazu müssen wir sie kennen ... 

Innere Stärke auf allen Ebenen 

Bei der Bohrmaschine braucht es alle drei Ebenen zusammen, damit auch die härteste Wand durchbohrt werden kann:

  • Ohne Aufsätze nützt die stärkste Maschine nichts, 
  • ohne Stromzufuhr auch nicht. 
  • Die Aufsätze und der Strom alleine werden ebenfalls keine Wand 
durchbohren, es fehlt der Motor. 


Bei der Maschine hängt das alles zusammen, und so ist es auch bei uns Menschen. Wenn du deine persönliche „Durchschlagskraft“ – deine Resilienzfähigkeit – nachhaltig weiterentwickeln willst, brauchst du also sowohl Tools als auch die Kräfte aus deinem inneren Motor und der Stromzufuhr, die ihn antreibt. 

Die verborgenen Übeltäter: „Stinkende Lebern“ 

Meine erste eigene Wohnung hatte ich mit 16 Jahren. An einem Tag im Sommer 1981 komme ich nach Hause und bemerke angeekelt, dass es in meiner Wohnung fürchterlich stinkt. 

Ich habe keine Idee, was das sein könnte, reiße erst einmal alle Fenster auf und mache mich dann auf die Suche nach der Ursache des schrecklichen Gestanks.

Ich suche und suche. Erfolglos.

Am nächsten Tag stinkt es noch viel erbärmlicher und wieder mache ich mich auf die Suche.

Wieder nichts!

Erst am dritten Tag und nachdem ich alle Möbelstücke verschoben habe und zuunterst nach oberst gekehrt habe, entdecke ich den Übeltäter:

Ein kleines Stück Leber ist mir beim letzten Kochen unbemerkt hinter die Spüle gefallen und rottet seitdem vor sich hin. 

Den Gestank kannst du dir vielleicht vorstellen ... 

Drei Tage lang habe ich an fast nichts anderes denken können, eine Menge Energie verloren und mich dabei mies gefühlt. 

Was hat diese Geschichte aus meiner Jugend mit deinem inneren Motor und mit der Stromzufuhr, der ihn antreibt, zu tun, fragst du dich? 

Nun, auch in uns Menschen gibt es „stinkende Lebern“. 

So nenne ich, analog zu meiner oben beschriebenen Erfahrung, lange unbemerkt vor sich hin gammelnde, aber im Unbewussten wirkende Dinge, die uns – obwohl sie uns nicht bewusst sind – eine Menge Kraft kosten und zu inneren Kämpfen führen.

Das können unhinterfragte Glaubenssätze sein, die wir im Laufe unseres Lebens gebildet haben und nach denen wir oft unbewusst handeln oder reagieren, oder Meinungen, die wir unreflektiert übernommen haben und die heimlich, still und leise Einfluss auf uns nehmen, sodass wir wie ferngesteuert reagieren.

Ein kleines Beispiel:

Meine beste Freundin Michaela kenne ich seit gut 30 Jahren. Eines Tages fragte ich sie, welche Partei sie eigentlich wählt. Ich dachte, nach so einer langen Zeit kann man das ja einmal fragen. 

„Ich wähle ABC“, sagte sie.

Und ich dachte: „Igitt! Meine beste Freundin wählt ABC, das ist ja widerlich ...“ (die Stimme aus meinem „Motor“, meiner inneren Einstellung).

Weil ich meine Freundin aber ansonsten sehr schätze, dachte ich noch einmal genauer nach. Und da fiel mir auf, dass ich eigentlich keinen Grund habe, ABC-Wähler zu verteufeln, denn ich habe eigentlich nicht genug Ahnung, um mir eine fundierte Meinung dazu bilden zu können.

Mir fiel weiter auf, dass meine Abneigung gegen ABC-Wähler ganz einfach daher kommt, weil ich in einem überzeugten DEF-Haushalt aufgewachsen bin.

Das ist eine prägende Sozialisation, (der Strom, der den Motor, nämlich meine Einstellung, antreibt), die mir zuvor nie bewusst war, die aber durchaus Einfluss auf meine Verteilung von Sympathie und Antipathie hatte.

Hätte sich meine beste Freundin nicht geoutet und hätte ich diese „stinkende Leber“ in mir nicht gefunden, hätte ich wohl nie bemerkt, dass auch ABC-Wähler nette Menschen sein können ... 

Dies ist im Vergleich dazu, was stinkende Lebern noch anrichten können, ein wirklich harmloses Beispiel, macht aber hoffentlich klar, was ich meine.

Auch du wirst die eine oder andere stinkende Leber in dir haben, die von dir unbemerkt ihr Unwesen treibt - und Einfluss auf dein Denken, dein Fühlen und damit auf dein Handeln nimmt.

Wenn du die Leber findest, hört es auf zu stinken, die „Verstopfung“ deiner Energie ist aufgelöst, der Strom fließt wieder und treibt deinen Motor wieder mit voller Kraft an. 

Zwei typische und weit fatalere stinkende Lebern als die ABC- Abneigungsleber kommen jetzt. 

Die stinkende Leber „Perfektionismusmonster“ 

Die wenigsten Menschen haben ihren Drang, alles möglichst perfekt erledigen zu wollen, freiwillig gewählt, dieser Stressauslöser ist eine der stinkenden Lebern in uns.

Wir haben das drängende Gefühl, nicht anders zu können, als ständig 300-prozentig unterwegs zu sein, und merken oft nicht, dass das Streben nach permanenter Höchstleistung auf Kosten der eigenen Zufriedenheit und Gesundheit geht.

Das „Perfektionismusmonster“ aus dem „Motor“ in uns treibt uns ständig zu noch mehr Vollkommenheit an, flüstert uns unrealistisch hohe Ansprüche ein, und wir geraten dabei bis zur Überforderung unter Druck.

Aber woher kommt dieses Monster? Woher bekommt das Monster Strom? Woher kommt dieser Zwang, alles perfekt machen zu wollen?

Die Nahrung (oder die Stromzufuhr) des Perfektionismusmonsters sind deine Ängste: die Angst vor Ablehnung und die Angst zu versagen. 

Auch sehr lecker für dieses stinkende Wesen: ein großes Bedürfnis nach Anerkennung.

Hinter der Angst und der Sucht nach Anerkennung steckt meist ein geringes Selbstwertgefühl, das heißt, der Resilienzfaktor Selbstliebe ist eher schwach ausgeprägt.

Die Selbstliebe oder – psychologisch ausgedrückt – das Selbstwertgefühl entwickelt sich in den ersten sieben Lebensjahren.

Aber nur dann, wenn ein Kind in dieser Zeit vermittelt bekommen hat, dass es liebenswert und vollkommen in Ordnung ist so, wie es ist.

Wenn aber oft das Gefühl vorherrscht, die Eltern würden es nur dann lieben, wenn es viel leistet und Erfolg hat, dann erwacht das Perfektionismusmonster in dem Kind und fängt an zu stinken.

Und das Monster macht uns glauben, dass wir nur als fehlerloser Mensch und nur, wenn wir immer das Optimum erreichen, von anderen gemocht werden.

In der Folge fällt es Menschen schwer, sich selbst anzunehmen und mit sich und dem eigenen Tun zufrieden zu sein. 

Kurztest: Bist du ein Perfektionist? 

  • Ich erledige meine Arbeit oft unter großer psychischer und körperlicher Anspannung und kann schlecht abschalten: Ja/ Nein
  • Ich finde häufig kein Ende bei der Arbeit, weil ich oft denke, ich könnte etwas noch besser machen: Ja/ Nein 

  • Ich kann meine Erfolge und Leistungen oft nicht genießen: Ja/ Nein 

  • Ich werde meinen eigenen hohen Ansprüchen nur selten gerecht und sehe oft nur das, was ich hätte besser machen können: Ja/ Nein
  • Ich kritisiere und verurteile mich oft selbst hart für meine Unvollkommenheit: Ja/ Nein

Wie du das Perfektionismusmonster bändigst 

Wenn du auch nur einmal „Ja“ gedacht hast und der Perfektionsfalle entkommen willst, geht es nicht darum, schlampig, unzuverlässig und unverantwortlich zu werden. 

Es geht auch nicht darum, nur Mittelmaß abzuliefern.

Aber mach dir klar, dass wahre Perfektion eine Illusion ist!

Und lass dich nicht von dem Monster steuern. Stell ihm den Strom ab und übernimm den Vorsitz in deiner Innenwelt, indem du in jeder Situation eine bewusste Entscheidung triffst: Wie viel Einsatz willst und kannst du bringen?

Frage dich: In welchem Verhältnis steht der Aufwand zum Ergebnis? Und erlaube dir ein wohlwollendes „Ich kann nur tun, was ich tun kann. Das ist genug“.

Jedes Mal, wenn du dich selbst fertigmachst und gegen dich selbst in den Ring steigst im aussichtslosen Versuch, mehr als 100 Prozent zu geben, schwächst du damit den Resilienzfaktor Selbstliebe, und das Perfektionismusmonster wird immer fetter.

Du nährst es quasi mit Starkstrom!

Wenn ein Perfektionismusmonster in dir wohnt, wirst du es nur dann besänftigen, wenn du 

  • dir selbst eine gute Freundin, ein guter Freund bist und dich so verhältst, wie du das von einem Freund auch erwarten würdest: nachsichtig, geduldig, wohlwollend, nicht verurteilend und streng. (Wenn du das noch besser lernen willst, findest du hier ein kostenfreies Workbook mit Metta Meditation Anleitung dazu.)
  • das Monster als vorhanden akzeptierst und nicht mit ihm kämpfst. Je mehr du es unbedingt loswerden willst, umso mehr krallt es sich in dir fest. 
  • dich stattdessen lieber auf die Lücke zwischen Reiz und Reaktion konzentrierst, um von dort aus eine bewusste Wahl zu treffen, wie weit du dem Monster nachgeben willst. Damit schaltest du dem Monster den Strom ab ... 


Dabei werden dir Achtsamkeits Übungen besonders helfen. 

Denn Achtsamkeit ist ein unübertroffenes Instrument, um die Tätigkeit deines inneren Motors und seiner Stromzufuhr erst zu beobachten und dann dafür zu nutzen, stinkende Lebern und nervige Monster unschädlich zu machen.


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80 Prozent sind genug 

Es genügt, wenn du DEIN Bestes gibst, passend zu DEINEN individuellen Möglichkeiten, Grenzen und Bedürfnissen! 

Immer 100 Prozent zu geben, schafft niemand, und in den allermeisten Fällen reichen 80 Prozent auch mehr als aus. 

Wenn du wieder einmal den Drang zur Perfektion in dir spürst und mit einer Aufgabe ewig nicht fertig wirst, sprich freundlich zu diesem Teil in dir und sag ihm:

„80 Prozent sind genug.“

Mache diesen Satz zu einer Art Mantra, mit dem du dich selbst immer wieder daran erinnerst, dass deine vermeintliche Unvollkommenheit gut genug ist.

Und damit du es nicht vergisst, klebe dir an eine geeignete Stelle ein Post-it zur Erinnerung hin oder trage einen Zettel mit dem Satz in deinem Portemonnaie mit dir.

Oder beides. Denn doppelt hält besser. 

Die stinkende Leber „Selbstoptimierungswahn“

Ein Bruder des Perfektionismusmonsters ist der Selbstoptimierungswahn.

Er kann uns das Leben zur Hölle machen und die Stromzufuhr für unseren Motor bis auf null stellen. Statt wie sein Bruder unsere Arbeit perfektionieren zu wollen, bringt dieser uns dazu, uns selbst ständig op- timieren zu wollen, um immer noch besser, schneller, schöner, kompetenter und erfolgreicher zu werden.

Die Folge: nie nachlassender Stress!

Ob in der Rolle als Liebes- und Lebenspartner, Führungskraft, Vater oder Mutter – ständig sitzt Menschen mit Selbstoptimierungswahn der kräftezehrende, nie abreißende Anspruch, zu den Besten zu gehören, im Nacken:

Top-Figur, gebildet wie Einstein, immer up to date, ein Universalgenie, dabei immer perfekt gestylt, mit einem spannenden Hobby, mindestens 5-sprachig, ganz oben auf der Karriereleiter und am besten Professor, Vorstandsmitglied und Erster Vorstandsvorsitzender eines global agierenden exklusiven Verbandes noch obendrein.

Wenn dann noch die Mitgliedschaft bei Mensa, der Vereinigung der intelligentesten Menschen der Welt, dazukommt, erst dann fühlen sich Menschen mit einem dicken fetten Selbstoptimierungswahn in sich einigermaßen okay. 

Funkeln statt Funktionieren 

Am allerschlimmsten erscheint mir, dass dabei fast alles, was das Leben lebenswert macht, komplett in den Hintergrund gedrängt wird.

Das Gefühl, ganz besonders toll sein zu müssen, ist unglaublich anstrengend und treibt Menschen auf eine Art voran, dass sie schließlich ihre hart erkämpften Erfolge nicht einmal mehr genießen können.

„Okay, ich hab den Posten. Was kommt als Nächstes?“ Und weiter gehts!

Bei all dem Aufwand, der getrieben werden muss, um ganz vorne dabei zu sein, „funkelt“ bald nichts mehr: Ganz gleich, wie sehr man sich auch anstrengt, es gibt immer noch etwas viel Tolleres zu erreichen, und die Etappenziele auf dem Weg scheinen keinen Hauch von Freude wert zu sein.

Immer weiter und weiter, bis das Funkeln der Begeisterung in den Augen erlischt, um bloßem Funktionieren – wenn auch auf Top- Niveau – Platz zu machen.

Ariadne von Schirach spricht in einem Interview zu ihrem Buch „Du sollst nicht funktionieren“ vom „Dasein als Leistungsshow“, was es aus meiner Sicht auf den Punkt bringt.

„Unsere Körper, unsere Beziehungen und unsere Persönlichkeit unterwerfen wir zunehmend den Regeln der ökonomischen Sphäre – Effizienz, Berechenbarkeit und Profitmaximierung. Wir ernähren uns gesund, glauben jeden Winkel unseres Ichs zu kennen und versuchen, in allen Lebenslagen gut auszusehen. Wir wollen alles richtig machen – was nur ein anderer Ausdruck dafür ist, immer die Kontrolle zu behalten. Dieses Sicherheitsdenken verbannt jegliche Form von Exzess, Wagnis und Überschwang. Und das macht das Leben fade.“ 

So isses. Und es stresst obendrein ungemein.

Die Ursachen bzw. die Stromzufuhr für diese fiese stinkende Leber sind die gleichen wie beim Perfektionismusmonster.

Dazu kommt ein hohes Kontroll- und Sicherheitsbedürfnis, meist erwachsen aus der Angst davor, nicht mithalten zu können, nicht gut genug zu sein, die Vielzahl der Anforderungen nicht in den Griff bekommen zu können und den Überblick zu verlieren.

Wie du den anstrengenden Bruder "Selbstoptimierung" wieder loswirst 

Falls du einen kleinen oder größeren „Bruder Selbstoptimierung“ in dir erkennst:

  • Mach dir klar, dass du dich in dem Versuch, ein optimaler Mensch zu werden, eher vom Leben trennst, statt es voll auszuschöpfen.
  • Werde dir außerdem bewusst, dass der Wunsch nach Selbstoptimierung häufig aus der Tatsache erwächst, dass dir ein „Leitstern“ fehlt, auf den du dich ausrichten kannst: Dein persönlicher Leitstern bündelt deine Vision von dem, wie du dein Leben erschaffen möchtest, den Sinn, den du deinem Tun beimisst, und die Ziele und Werte, die dir lohnend erscheinen.
  • Er gibt dir die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein, selbst wenn zahlreiche Felsbrocken das Gehen behindern, und erhält damit das Funkeln und die Energie zum Weitermachen am Leben. Er ist die Antwort auf die Fragen: „Wer will ich sein? Wo will ich eigentlich hin? Wozu ist das gut?“

Denn was würde es dir nützen, wenn du angestrengt immer weiter auf der Leiter des Lebens nach oben kletterst, wenn du am Ende feststellen musst, dass die Leiter an der falschen Wand steht? 

Mit einem Leitstern bekommen wir einen mächtigen Resilienzfaktor dazu, der unsere Stromversorgung aus dem Unterbewusstsein dazu bringt, für uns statt gegen uns zu arbeiten. 

Das Sinnieren über folgende Leitfragen unterstützt dich dabei, Teile deines Leitsterns zu finden:

  • Was tue ich im Rahmen meiner Arbeit so gerne, dass ich sogar dafür bezahlen würde, um es tun zu dürfen?
  • Warum stehe ich morgens auf und gehe zur Arbeit? (Und wenn die Antwort nur lautet: „Damit ich meine Familie ernähren kann“, du brauchst eine Antwort!) 
  • Kann ich zur vorigen Antwort ein klares Commitment abgeben, ein klares „Ja“ sagen? (Dauerzweifel höhlen innerlich aus! Ein „Ja“ ist oft nur eine Entscheidung!)
  • Welcher Wert und welches Ziel sind die Überschrift über alle anderen Werte und Ziele?
  •  Wie kann ich diese „Überschriften“ an meinem Arbeitsplatz zumindest teilweise verwirklichen? (Die Antwort „Geht nicht“ gilt nicht!)

Suche außerdem in deinem Umfeld nach Vorbildern, die – obwohl offensichtlich nicht perfekt – sehr glücklich sind.

Wenn du darauf fokussierst, wirst du Beispiele finden, das garantiere ich dir!

Und lasse auch mal fünfe gerade sein!

Weitere Hinweise zur Entwicklung eines Leitsterns findest du in der Bambusstrategie

Das Funkeln zurückerobern 

Katharina Maehrlein hat innere Stärke

Hol dir das Funkeln in deinen Augen zurück, wenn es verloren gegangen sein sollte!

  1. 1
    Stelle dir den Timer in deinem Mobiltelefon auf 1 Minute ein und 
schreibe spontan und ohne langes Nachdenken alles auf, was dich 
glücklich macht. Das können gerne Kleinigkeiten sein. 

  2. 2
    Streiche all die Dinge durch, die dir Bruder Selbstoptimierung 
eingeflüstert hat: ein Aston Martin oder Maserati, ein Schloss, eine 
tolle Wohnung, teure Schuhe ... 

  3. 3
    Suche dir aus den übrig gebliebenen Dingen eines aus, das du 
HEUTE tun kannst und tu es möglichst gleich! 

Auf meiner Liste steht beispielsweise: der Geruch und der Geschmack von frisch gebackenem Käsekuchen. 

Wenn ich einen Tag habe, an dem ich mich kleiner fühle, als mir lieb ist, backe ich mir eben einen Käsekuchen :-).

Da steht auch drauf:

barfuß im Gras gehen, das Gesicht in die Sonne halten mit geschlossenen Augen und tanzen, ... 


Mache dir nicht auch noch selbst zusätzlich Druck! Konzentriere dich auf das Wesentliche in deinem Leben. 

Denn du wirst realistisch betrachtet nie alles zu 100 Prozent und in perfekter Manier erledigen können!

Die Kunst besteht darin, auf die Dinge zu fokussieren, die wirklich wichtig für dich sind. Und zwar nicht nur in Bezug auf deinen Job, sondern auch für dein sonstiges Leben.

  • Welche Dinge möchtest du voranbringen?
  • Was macht dich zufrieden und stark?
  • Was trägt zu deinem Erfolg bei?

Dieser Beitrag stammt aus meinem Buch "Erfolgreich führen mit Resilienz". Gibts auch als Hörbuch:-)

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Die Autorin


Katharina Maehrlein, Beraterin, Certified Scrum Master und Agile Culture Coach, ist Expertin für die Themen Resilienz, Achtsamkeit und Agilität, zu denen sie mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben hat. Seit 1996 hat sie als Coach und Beraterin über 30.000 Führungskräfte aus Unternehmen vom Mittelstand bis zum Großkonzern dabei unterstützt, den täglichen Druck zu meistern und dabei ihre Mitarbeiter so zu führen, dass sie motiviert und leistungsfähig bleiben. Mit charmantem Pragmatismus sorgt sie dafür, dass Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Leistungskraft mit Leib und Seele einsetzen und auch unter Druck top performen.