Achtsamkeit im Alltag: 10 Tipps

Achtsamkeit in einen eh schon anstrengenden Alltag wirklich regelmäßig unterzubringen ist gar nicht so einfach, richtig?

Du weisst zwar, dass Meditation und Achtsamkeit eine gute Sache sein soll.

Und vielleicht hast du dir auch schon einmal vorgenommen, es damit zu versuchen, oder sogar schon Erfahrungen damit gesammelt. Bei all den positiven Effekten, von denen man überall hört, kann man ja auch richtig Lust dazu bekommen, oder? 

Vielleicht gehörst du aber auch zu den Leuten, die zwar neugierig auf Achtsamkeit sind, sich insgeheim aber sagen:

„Nee, das ist doch eigentlich nichts für mich. Es ist mir zu langweilig, ich bin dafür zu unruhig, ich hab zu viel Stess, ich hab dafür keine Zeit. Es gibt mir einfach nichts, mich hinzusetzen, um ,Ommm' zu machen.“ 

Oder du hast schon mit verschiedenen Formen der Achtsamkeitspraxis experimentiert, schaffst es aber nicht, am Ball zu bleiben.

Möglich auch, dass du versucht hast, irgendwo gelesene Übungen auf eigene Faust auszuprobieren - dabei sind dann aber schnell Fragen aufgetaucht, die du nicht klären konntest, und das hat deine anfängliche Motivation ausgebremst.

Lass´uns das ändern! Ich bin sicher, auch dir helfen meine 10 Tipps dabei, Achtsamkeit im Alltag zu leben - und dran zu bleiben! 

Here we go:

1. Motiviere dich

Mach´ dir klar, was dich am Thema Achtsamkeit reizt. Was wird dich über tote Punkte hinweg weitermachen lassen? Warum ist es dir wichtig, dich in Achtsamkeit zu üben? 

By the way - hier noch zwei Motivationsgoodies:

Untersuchungen der Harvard Business School kamen zu dem Ergebnis, dass Meditation und Intuition die beiden wichtigsten Werkzeuge für Führungskräfte im 21. Jahrhundert sind. Und: Wir erhalten durch Meditationspraxis auch Zugang zu den Quellen unserer Kreativität.

Wir lernen, Altes los- und Neues zuzulassen, die fundamentale Basis für Innovationen. Du bist also definitiv kein Spinner, wenn du es damit versuchst ...

 

2. Schließe die Außenwelt aus

Gerade wenn du Neuling im Feld der Achtsamkeit bist, ist es zu Beginn hilfreich, wenn du erst einmal eine Basis für die Achtsamkeitspraxis im Alltag schaffst. Diese entsteht erfahrungsgemäß am leichtesten im Sitzen mit geschlossenen Augen unter weitgehendem Ausschluss von Außenreizen.

Schon bald kannst du auch mitten im Leben meditieren, beispielsweise im Zug, an der Bushaltestelle, in der Schlange im Supermarkt. Nur bitte nicht im Auto, wenn du selbst fährst! 🙂

Mit ein wenig klassischer Meditationserfahrung wird es dir außerdem zunehmend leichter fallen, jede Art von Handlung als meditative Übung zu gestalten und Achtsamkeitsübungen selbst im turbulenten Arbeitsalltag durchzuführen.

Wenn du absolut keine Zeit für die Sitzmeditation findest, wirst du wahrscheinlich nicht so schnell motivierende Erfahrungen machen, als wenn du regelmäßig meditieren würdest. Aber das ist nicht dramatisch:

du findest sicher im Alltag Gelegenheiten dafür, beispielsweise, wenn du irgendwo warten musst, oder bei Alltagshandlungen wie Kochen, Essen, Treppensteigen oder Ähnlichem. 

Am besten kommst du voran, wenn du formelle Sitzmeditation mit Achtsamkeitsübungen bei alltäglichen Handlungen kombinierst. 

Auf diese Weise entwickeln und vertiefen sich die positiven Qualitäten von Meditation und Achtsamkeitspraxis am schnellsten und können so schon bald im täglichen Leben verwirklicht werden.

Zum gleich losmeditieren kannst du dir hier mein Gratis-Workbook mit der Metta Meditation Anleitung, Selbstliebetest und Video holen.

 

3. Suche dir einen Wohlfühlort

Wähle zum Start eine ruhige Umgebung, in der du dich wohlfühlst. Wähle einen Ort, der für dich praktisch zu erreichen ist und der dich nicht dazu zwingt, noch zusätzlichen Zeitaufwand zu betreiben, indem du dort erst einmal hinfahren musst.

Das kann beispielsweise einfach in deinem Zuhause sein. Ein geeigneter Ort sollte es dir ermöglichen, zumindest in der Startphase Außenreize aller Art wie Telefonklingeln, Besuche, laute Geräusche und sonstige Störungen möglichst auszuschließen.

Vermeide direkte Sonneneinstrahlung, das lenkt ab, und im Verlauf der Meditation kann es dir schnell zu warm werden.

 

4. Behalte zu Beginn den Wohlfühlort bei

Wenn du zu Beginn immer den gleichen Platz wählst, entwickelt sich in deinem Gehirn bald eine hilfreiche Verknüpfung:

Meditationsplatz = meditativer Zustand.

Schnell wirst du bemerken, dass du dich nur noch auf eben diesen speziellen Platz setzen musst, um unmittelbar in Meditationsstimmung zu kommen. Dieser Effekt der Gewohnheitsbildung unterstützt dich zu Beginn deiner Meditationspraxis sehr.

In der Übergangsphase genügt es später schon, sich diesen speziellen Platz nur vorzustellen, um in Stimmung zu kommen, auch wenn du an ungewohnten Plätzen meditieren willst.

Und schon bald wirst du dich auch mitten im größten Trubel mit dir selbst verbinden können - sogar mit geöffneten Augen.

 

5. Nimm eine bequeme Haltung ein

Die meisten Menschen stellen sich vor, der sogenannte Lotussitz mit ineinander verschränkten Beinen wäre notwendig oder besonders förderlich, um gut meditieren zu können. Das ist Quatsch!  

Eher das Gegenteil ist der Fall, es sei denn, du wärst ein gut trainierter Yogi, der null Problem damit hat, auf diese für uns „Normalos“ ungewöhnliche Weise zu sitzen, und das lange ohne Verspannungen oder Schmerzen aushält.

Im Fachhandel oder im Internet gibt es zur Erleichterung der klassischen Meditationspositionen zahlreiche Hilfsmittel wie Meditationsbänkchen, Kissen und Matten. Sie sind natürlich sehr nützlich, aber allesamt nicht zwingend notwendig.

Wenn du bereit bist, Zeit und Geld zu investieren, um sich in bewährten Meditationshaltungen zu üben, empfehle ich dir, diese vor dem Kauf auszuprobieren. Es ist individuell sehr unterschiedlich, mit welcher Meditationsbankhöhe oder Kissenart man am besten zurechtkommt. 

Grundsätzlich genügt aber ein Stuhl, der dir eine stabile Sitzhaltung mit aufgerichtetem Oberkörper ermöglicht, in der du dich entspannen kannst. Wähle eine Sitzposition, in der du keine weitere Aufmerksamkeit auf deine Balance verwenden musst. Idealerweise lehnst du dich nicht mit dem Rücken an. Wenn du allerdings sonst Rückenschmerzen bekommst, ist die Anlehnung erlaubt.

Damit du auch eine längere Zeit gut sitzt, sollte die Sitzfläche eine Höhe haben, bei der deine gesamte Fußsohle bequem Kontakt am Boden findet und die Ober- und Unterschenkel einen rechten Winkel bilden.

Die Knie sollten gut zwei Handbreit voneinander entfernt sein, die Hände kannst du entweder auf den Oberschenkeln ablegen oder vor dem Bauch ineinanderlegen. Armlehnen sind bequem, aber nicht überall vorhanden. Es ist deshalb praktischer, wenn du auch ohne auskommst.

Meditationsfetischisten mögen mir verzeihen, aber ich meditiere beispielsweise gerne auf dem Sofa quer, angelehnt an die Seitenlehne mit ausgestreckten Beinen, weil mir alles andere auf die Dauer einfach zu unbequem ist.

Grundsätzlich kannst du in jeder Haltung meditieren: im Stehen, Gehen, Knien, Liegen und Sitzen, und ich empfehle dir, jede Position einmal auszuprobieren und damit eigene Erfahrungen zu sammeln.

Wer viel sitzt, findet es möglicherweise ganz angenehm, einmal zu stehen. Die stehende Haltung erfordert allerdings deutlich mehr Muskelarbeit und Koordination, um auf Dauer das Gleichgewicht zu erhalten. Aber für einige Minuten ist diese Haltung prima, beispielsweise, um in einer Schlange im Supermarkt zu meditieren oder beim Warten vor der Mikrowelle, bis diese „Piep“ macht und das Essen fertig ist. Beides mache ich ziemlich häufig, weil es mich keine zusätzliche Zeit kostet …

Liegen bietet sich vor dem Schlafengehen an, birgt allerdings das beschriebene Risiko, dabei einzuschlafen. Wenn jedoch genau dies das Ziel ist, nämlich entspannt in einen guten Schlaf hinüberzugleiten – na perfekt!

Wenn du aber ernsthaft üben möchtest, zu entspannen und dabei geistig präsent zu bleiben, empfiehlt sich die liegende Position nur dann, wenn du dabei einer gesprochenen Anleitung auf CD folgst, die dich durch die Übung führt. Sonst wird es dir ziemlich schwerfallen, bei der Sache zu bleiben.

 

6. Zwinge dich zu nichts

In den allermeisten Anleitungen wird eine regungslose Position gefordert. Am Anfang gilt: Können vor Lachen! 

Es ist normal, dass du erst einmal diverse Haltungen ausprobieren musst und dich auch dann diverse Male „zurechtruckeln“ musst, bis es dir schließlich gelingt, tatsächlich regungslos zu meditieren. Auch werden du anfangs das dringende Bedürfnis hast, eine Fliege zu verscheuchen, wenn sie dir zu nahekommt, sich zu kratzen oder Schweiß abzuwischen und so weiter.

Das ist vollkommen in Ordnung! Verdirb dir nicht die Motivation und den Spaß, indem du es gleich zu genau nimmst. Es wird dir nach und nach immer leichter fallen, dich nur noch auf die Meditation zu konzentrieren und störende Außenreize einfach auszublenden.

Auf dem Weg dahin zwinge dich bitte nicht, in einer unbequemen Position zu verharren. Verändere deine Haltung, unterpolstere schmerzende Druckpunkte oder mache notfalls einen Moment Pause, in der du dich kurz lockerst.

All diese körperlichen Bewegungen lenken natürlich von der meditativen Konzentration ab und können die gewonnene Sammlung und innere Ruhe beeinträchtigen. Aus meiner Sicht unterbricht das Verändern der Haltung allerdings die Meditation auch nicht mehr, als wenn du dich mit Schmerzen plagst.

Um die Sammlung trotzdem zu erhalten, kannst du alle Bewegungen so achtsam wie möglich, also langsam und bewusst ausführen. Du kannst auch - wie in der Zen-Praxis üblich - Sitz- und Gehmeditation kombinieren, um Verspannungen vorzubeugen.

Gehen wird dadurch zur Meditationstechnik, dass du den automatisierten Laufprozess bewusst ausführst. Gehe dabei so langsam, dass du den gesamten Vorgang wahrnehmen kannst: wie du dein Gewicht dabei verlagerst, mit welchem Teil des Fußes du zuerst am Boden ankommst, wie sich der Kontakt mit dem Boden anfühlt, wo im Körper du die Muskelarbeit dabei spüren kannst.

 

7. Suche dir deinen persönlichen Meditations-Zeitpunkt

Häufig ist zu lesen, dass Meditation am frühen Morgen am besten funktioniert. Auch die Abendstunden direkt vor dem Schlafengehen werden gerne als besonders geeignet empfohlen.

Wichtig ist, dass du einen Zeitpunkt wählst, zu dem du in der Lage bist, dich zu konzentrieren, und an dem du wach und ausgeschlafen bist.

Direkt nach dem Aufstehen am Morgen oder vor dem Einschlafen ist das Risiko recht groß, dass du statt zu meditieren nur döst oder sogar einschläfst. Aus dem gleichen Grund empfehle ich, nicht direkt nach dem Essen zu meditieren.

Gerade als Beginner solltest du für deine ersten Versuche ein Zeitfenster nutzen, an dem du nicht unter Zeitdruck stehst, beispielsweise nach Feierabend oder am Wochenende.

Auf Alkohol oder Kaffee vor dem Meditieren verzichtest du besser, es erschwert dir die Konzentration, trübt deine Sinne, und die Unruhe, der du eigentlich entgegenwirken möchtest, wird noch zusätzlich aufgeputscht. 

 

8. Don´t worry: Jede Minute bringt dich weiter

Die notwendige Übungsdauer hängt vor allem von der von dir gewünschten Wirkung und natürlich von der dir zur Verfügung stehenden Zeit ab.

Zeitknappheit ist wahrscheinlich eine der Herausforderungen deines Lebens. Don´t worry! Eine entspannende Wirkung stellt sich schon bei den ersten Versuchen nach wenigen Minuten ein.

Tiefgehende Veränderungen des Bewusstseins allerdings brauchen eine längere Zeit. In den meisten Traditionen liegt die typische Dauer einer Meditationssitzung bei 20 bis 30 Minuten, bis hin zu einer dreiviertel bis ganzen Stunde. 

 

9. Wie oft du übst, entscheidest du!

Idealerweise übst du täglich.

Gerade am Anfang muss sich erst einmal eine Gewohnheit herausbilden, genauso wie bei jeder neuen Tätigkeit, die zunächst einmal durch einen Vorsatz angestoßen werden muss - zum Beispiel beim Joggen.

Aber: Wenn dir das nicht gelingt, mache dir klar, dass jede einzelne Minute, die du es schaffst, Achtsamkeitspraxis zu üben, einen wertvollen Effekt für dich haben wird.

Bitte denke nicht: „Jetzt habe ich es sowieso schon wieder zwei Tage/ zwei Wochen/ zwei Monate nicht geschafft, jetzt ist es eh schon egal, dann lass ich es gleich ganz.“

Einfach wieder einsteigen, jede Minute zählt! Du wirst auch auf diese Weise letztlich vorankommen.

Ich hätte mir auch nie vorstellen können, dass mir Joggen, Yoga oder Meditieren einmal fehlen wird, wenn ich es nicht tue. Aber heute ist es nach diversen Startschwierigkeiten so. Auch wenn ich es nicht schaffe, wirklich täglich zu üben, ich möchte die Effekte auf mein Leben nicht missen!

Wenn du partout nicht ganz so regelmäßig üben willst oder kansst und trotzdem in tiefere Erfahrungsbereiche vorstoßen möchtest, dann empfiehlt es sich, am Wochenende oder im Urlaub mehrmals am Tag zu üben.

Durch mehrfaches Üben während eines Tages kommst du von Mal zu Mal leichter und schneller in den Zustand meditativer Sammlung, weil der Effekt der vorherigen Sitzung noch in dir nachwirkt und du dadurch beim jeweils darauffolgenden Versuch schon mit einem „vorgeklärten“ Geist startest. Eine bessere Erholung gibt es nicht, das garantiere ich dir!

 

10. Es gibt keine Kleiderordnung

Meditation funktioniert in jeder Kleidung, du brauchst dazu keine spezielle Ausrüstung. Bequem sollte sie sein, nicht einschnüren und deine Atmung nicht behindern.

Wenn du an deinem persönlichen Mediationsplatz übst, ist es gut, die Schuhe auszuziehen. Wenn du dazu neigst, kalte Füße zu bekommen, wenn du ruhig sitzt, halte ein paar warme Socken bereit.

Wenn du nur kurz irgendwo im Alltag einige Minuten für die Meditation nutzt, hast du vielleicht aber die Möglichkeit, deinen Gürtel etwas zu lockern.

Wenn nicht, ist das eine gute Gelegenheit zu üben, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind.

Das Vipassana-Retreat


Wenn du auf den Geschmack gekommen bist und deine Achtsamkeitsfähigkeiten in einem anderen Umfeld und unter Anleitung erweitern möchtest, kann ich dir einen Aufenthalt in einem „Vipassana-Retreat“ wärmstens empfehlen.

Hier schildere ich dir meine Eindrücke während meiner ersten Vipassana-Erfahrung.


Ich konnte mir jahrelang nicht vorstellen, mich ruhig hinzusetzen und „nichts zu tun“, schließlich habe ich wichtigere Arbeit!

Und dann dachte ich: „Och, auf den Atem konzentrieren, das kann ja nicht so schwer sein, das kann ich doch auch während der Arbeit machen.“

Richtig gut hat das allerdings nicht funktioniert und es gelang mir nicht, so regelmäßig dran zu bleiben, wie ich mir das gewünscht hätte. Aber schon die ersten kleinen Erfahrungen machten mich sehr neugierig.

Sechs Jahre lang liebäugelte ich damit, einen ordentlichen Meditationskurs zu machen, um die Technik endlich richtig zu erlernen. Immer wieder kam etwas dazwischen, was mir wichtiger erschien.

Aber als ich dann nach Jahren der Verausgabung kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, war ich dann endlich so weit und habe mich zu einem 10-tägigen Vipassana-Retreat angemeldet.

Diese Erfahrung möchte ich – ganz offen und ehrlich - mit dir teilen.

Mein Vipassana Tagebuch

Gespannt auf den Kurs reiste ich nach Thüringen nahe der bayrischen Grenze. Das Gelände liegt sehr abgeschieden, weit und breit keine Häuser, keine Menschen.

Am Anreisetag konnten wir uns noch kurz mit den ca. 100 Mitstreitern, zur Hälfte Männer, zur anderen Hälfte Frauen, bekannt machen und uns austauschen.

Dann aber wurde mit einem Gongschlag das sogenannte „edle Schweigen“ eingeleitet: Ab sofort bis zum Ende der zehn Tage wurde geschwiegen und jeder sollte „ganz bei sich“ bleiben, also auch nicht durch Lächeln oder Körpersprache Kontakt mit den anderen aufnehmen. 

Um dies zu erleichtern, wurden die Frauen und Männer voneinander separiert und kamen nur in der Meditationshalle zusammen, die Männer links, die Frauen rechts, alle schweigend.

Unsere Mobiltelefone und unseren Autoschlüssel hatten wir abgegeben und es gab weder TV, noch Radio oder Internet.

Wir hatten uns schon bei der Anmeldung dazu bereit erklärt, die Regeln einzuhalten, die unter anderem auch besagten, nicht zu lesen, zu schreiben, irgendwelche sportlichen Übungen zu machen oder auch nur andere „Techniken“ auszuüben wie beten, singen oder Ähnliches.

Auch sollte das Gelände nicht verlassen werden.

Nicht einmal mit essen konnte man sich wirklich ablenken; es war lecker, aber die letzte Mahlzeit kam schon um 11 Uhr …


1. Tag:

Am ersten Morgen schlug – wie an jedem anderen Morgen auch - um 3.30 der Gong für die erste gemeinsame Meditationssession um 4 Uhr in der Meditationshalle. Da saß ich nun in einer Reihe mit einigen anderen, viele Reihen hintereinander. Vorne der Meditiationslehrer, der uns erklärte, was zu tun war.

Wir begannen mit Anapana: Wir sollten unseren Atem beobachten und registrieren, wo und wie genau er zu spüren ist. Eine ganze Stunde lang! Und nach einer kurzen Unterbrechung zum Frühstück wieder. Und nochmals nach dem Mittagessen, immer wieder, den ganzen Tag.

Wir sollten immer wieder mit unserer Aufmerksamkeit zu unserem Atem zurückkehren, wenn wir feststellten, dass wir in irgendwelchen Gedanken hängen geblieben waren. Das kam sehr oft vor, nicht immer habe ich es überhaupt gemerkt, dass ich begann, tagzuträumen.

Immer und immer wieder wurden wir daran erinnert, uns wieder dem Atem zuzuwenden. Schon am ersten Tag wollte ich nach Hause! Ich empfand diese scheinbar so einfache Aufgabe als furchtbar anstrengend.

Abends dann ein Vortrag zur Technik, dem wir schweigend lauschten. Wir wurden unter anderem darauf hingewiesen, dass wir uns keine Sorgen machen sollten, wenn wir feststellen würden, dass unsere negativen Gedanken sehr laut werden würden und dass wir nicht befürchten müssten, zu Fieslingen zu mutieren, weil wir extrem schlecht über andere und uns selbst denken würden.

Das wäre normal und aufgrund der fehlenden Ablenkung würden wir den immerwährenden Gedankenstrom jetzt einfach nur bewusst mitbekommen. 


2. Tag:

Ja, allerdings! Am zweiten Tag habe ich beispielsweise über meine Nachbarin gedacht: „Du blöde Kuh! Kannst du nicht eine andere Hose anziehen? Eine, die nicht so doof raschelt? Ich kann mich so nicht auf meinen Atem konzentrieren! Verdammt nochmal!“

Da war ich immer noch ziemlich „außer mir“...

Abends wie erschlagen ins Bett. Ich hätte nicht gedacht, dass man so fertig vom „Nichtstun“ sein kann.

Jeden Abend wollte ich in mein Auto steigen und einfach abhauen, aber ich hatte ja meinen Schlüssel abgegeben. Jetzt wusste ich auch, warum.

In einem Abendvortrag wurde uns erklärt, warum es so wichtig sei, das Gelände nicht zu verlassen: Der Prozess, den wir gerade durchliefen, sei wie eine Operation am offenen Gehirn, wir sollten bitte Verständnis haben, dass sie uns nicht einfach vom OP-Tisch springen und weglaufen lassen könnten.

Natürlich konnte man gehen, wenn man unbedingt wollte und einige haben auch abgebrochen.


3. Tag:

Aber ich bin dageblieben … Nachdem ich am dritten Tag eine mir sehr sympathische Frau angelächelt und mit den Augen gerollt habe, kam gleich eine „Aufseherin“ zu mir, fasste mich am Arm und erinnerte mich daran, dass ich ganz bei mir bleiben solle.

Boah! Ich war richtig wütend und verfiel kurzzeitig in den Trotz eines kleinen Kindes: „So eine doofe Frau! Fass mich nicht an! Ich bin erwachsen und kann lächeln, mit wem ich will und wann ich will!“

Dann ist mir aber Folgendes aufgefallen:

Ich selbst hatte mein Committment zur Befolgung der Regeln abgegeben!

Mir wurde bewusst, dass ich schon an anderen Stellen meines Lebens trotzig reagiert habe, dass ich mir dabei schon öfter einmal eine Situation zerschossen habe und dass Trotz einer meiner „inneren Leitmelodien“ ist.

Das war eine wichtige Erkenntnis für mich. Ich kam wieder runter, fing mich wieder und blieb dort, so wie ich es mir selbst versprochen hatte.


Ab dem 4. Tag:

Am vierten Tag wurde es besser, ich konnte es zeitweise sogar richtig genießen, mich in Anapana zu üben, also einfach nur wahrzunehmen, wie der Atem verläuft über das kleine Dreieck unterhalb der Nasenlöcher, oberhalb der Oberlippe, begrenzt durch die Linien, die links und rechts der Nasenflügel zu den Mundwinkeln verlaufen.

Ich fing auch an zu genießen, unter so vielen Menschen einfach nur mit mir zu sein. Es erschien mir geradezu entlastend, nicht jeden anlächeln zu müssen und keine Gespräche zu führen, vor allem keine Problemgespräche.

Mir viel auf, wie energieraubend es sein kann, in einer Art „Sprechdurchfall“ immer wieder die gleichen Probleme zu besprechen - in Wirklichkeit verfestigen sie sich dadurch geradezu.

Mir wurde auch bewusst, dass es anstrengend sein kann, jeden Menschen jederzeit mit einem freundlichen Lächeln bedenken zu müssen, man ist ja schließlich gut erzogen und schon die reine Höflichkeit gebietet ein Lächeln.

Und dazu kommen dann ja üblicherweise ein paar Worte, und als höflicher Mensch hört man natürlich auch zu, und so weiter und so weiter. Dabei - so wurde mir jetzt bewusst - ist es mir nicht immer gelungen, meine Energie bei mir zu behalten, und viel zu viel davon zerstreute sich in sinnlosen Gesprächen und Höflichkeitsbezeugungen.

Es war eine großartige Erfahrung, von der ich heute noch profitiere.

Als ich am vierten Tag bei Sonnenaufgang aus der Meditationshalle kam, fiel mein Blick auf den Boden rechts neben mir:

glitzernde Tautropfen im Gras trieben mir vor Begeisterung die Tränen in die Augen!

Unglaublich, dass so eine einfache Sache mich dermaßen mit Freude erfüllen konnte! Die „Reizdiät“ hatte offenbar meine Wahrnehmungskanäle so aufnahmebereit gemacht, dass ich Dinge bemerkte, die sonst eher unbemerkt an mir vorbeigegangen waren.


Ergebnisse, die bis heute anhalten

Noch heute Jahre später denke ich mit Freude an diese Tautropfen im Gras und welche Freude sie bei mir auslösten.

Von Tag zu Tag wurde es friedlicher und stiller in mir, ich fühlte mich rundum versöhnt mit mir und der Welt. Am letzten Tag wurde das edle Schweigen kurz vor der Abreise aufgehoben und wir konnten uns austauschen.

Es war interessant, wie ähnlich die Erfahrungen der anderen waren. Interessant auch, dass ich das Sprechen so wenig vermisst hatte, dass ich gar nicht so sehr darauf erpicht war, jetzt mit allen ins Gespräch zu kommen.

Ich habe mit drei Frauen gesprochen, die mich während der zehn Tage neugierig gemacht hatten, eine davon war Vera, die ich mit rollenden Augen angelächelt hatte, wofür ich „gemahnt“ wurde.

Wir sind heute noch befreundet und haben regelmäßigen Kontakt, obwohl wir viele hundert Kilometer auseinander wohnen, verbringen sogar manche Urlaube miteinander.

Was bedeutet eigentlich Vipassana?

Das Wort „Vipassana“ bedeutet auf Pali (eine indische Sprache) „die Dinge sehen, wie sie wirklich sind“.

Vipassana-Meditation ist eine wichtige Methode des buddhistischen Geistestrainings. Sie dient zur Einübung und Entwicklung von Achtsamkeit. Sie wird auch „Einsichtsmeditation“ genannt, weil ein Geisteszustand kultiviert wird, der eine klare Sicht und eine Erfassung der äußeren Situation und der inneren mentalen und emotionalen Zustände ermöglicht.

Vipassana ist unabhängig von Glauben und Weltanschauung und führt über die Auflösung von Konditionierungen und Illusionen zur „Befreiung“.

Einstieg ist in der Regel die Atembeobachtung (Anapana, siehe nachfolgend). Mit der Zeit wird der Fokus der Aufmerksamkeit immer weiter und erforscht beobachtend den gesamten Körper mit dem Ziel, Achtsamkeit letztlich auch im Alltag aufrechtzuerhalten.

Die wohl bekannteste „Schule“ ist die von Satya Narayan Goenka (geb. 1924 in Myanmar), die weltweit Zehntageskurse anbietet. Ich kann dir einen solchen Kurs nur wärmstens empfehlen! Er wird tatsächlich dein Leben ins positive verändern! 

Und wenn du eine kürzere Variante möchtest: ich selbst biete 4 tägige Reatreats an, 2 Tage davon in „edler Stille“. Sprich mich einfach darauf an.

Was ist Anapana?

Anapana bedeutet „Achtsamkeit beim Ein- und Ausatmen“. Diese Methode wird auch als „Vergegenwärtigung des Atems“ bezeichnet.

Sie wirkt klärend auf den Geist, indem sie die Fähigkeit, aufmerksam zu sein, pflegt und stärkt. Die Anwendung von Anapana unterstützt schon nach kurzer Übungszeit dabei, sich geistig zu sammeln. 

Die Konzentrationsfähigkeit wird erhöht und das ermöglicht uns, die eigene Aufmerksamkeit immer beständiger auf eine Sache richten zu können.

Immer wieder geraten wir in unserem Alltag in Situationen, in denen andere bei uns den gewissen „Knopf“ drücken, der uns aus unserer inneren Ruhe bringt. Wir könnten dann aus der Haut fahren – müssen es aber nicht! Denn wir haben immer die Wahl, wie wir auf eine Situation reagieren wollen. Der Schlüssel dazu ist Achtsamkeit.

Worauf es bei Achtsamkeit ankommt und wie du sie ganz konkret in jeder Lebenslage trainieren kannst, zeige ich dir in diesem praktischen Büchlein. Mit einem Selbsttest sowie Basiskompetenzen und -übungen trainierst du deinen inneren Beobachter und gelangst zu mehr Ausgeglichenheit im Alltag. Kleine Achtsamkeitsübungen to go für zwischendurch runden das Buch ab.

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Die Autorin


Katharina Maehrlein, Beraterin, Certified Scrum Master und Agile Culture Coach, ist Expertin für die Themen Resilienz, Achtsamkeit und Agilität, zu denen sie mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben hat. Seit 1996 hat sie als Coach und Beraterin über 30.000 Führungskräfte aus Unternehmen vom Mittelstand bis zum Großkonzern dabei unterstützt, den täglichen Druck zu meistern und dabei ihre Mitarbeiter so zu führen, dass sie motiviert und leistungsfähig bleiben. Mit charmantem Pragmatismus sorgt sie dafür, dass Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Leistungskraft mit Leib und Seele einsetzen und auch unter Druck top performen.