Agiles Mindset: Warum Achtsamkeit wie Wunderdünger wirkt

Achtsamkeit ist nur scheinbar ein Gegenpol zur Agilität – sie ist vielmehr eine hervorragende Ergänzung.
Achtsamkeit steht zwar für Innehalten, Entschleunigen und bewusstes Handeln, während Agilität für Dynamik, Beweglichkeit, Geschwindigkeit und Experimentierfreude steht.

Weil sie uns aber hilft, aus Automatismen auszusteigen, funktioniert Achtsamkeit als Wunderdünger für die Entwicklung eines agilen Mindsets. 

Was du davon hast, wie du ganz konkret mit Achtsamkeit dein agiles Mindset trainieren kannst, wie es aktuell um dein agiles Mindset steht und was eine Studie von SAP dazu sagt - darum geht es in diesem Beitrag.

Mit altem Denken lassen sich keine neuen Arbeitswelten gestalten

Leider fällt das notwendige Umdenken im Kopf oft schwerer als gedacht. Denn die innere Einstellung ist geprägt von den Erfahrungen aus der Vergangenheit, Gepflogenheiten des Umfelds und tief verankerten Grundsätzen der Erziehung.

Unser Gehirn nämlich kommt von alleine nicht auf die Idee, neue Wege zu gehen:

Jeder neue Reiz veranlasst es vielmehr, nach ähnlichen, bereits abgespeicherten Mustern des Erlebens zu suchen und diese wieder aufzurufen, um auf die vorhandenen Lösungen zuzugreifen.

Es aktiviert dann neuronale Bahnungen, die zum Teil schon in der Kindheit entstanden sind, und verstärkt diese durch jede Wiederholung weiter.


Wir müssen das Gehirn also dazu erziehen, aus den bequemen Automatismen auszusteigen, mit denen es bisher gut gefahren ist – wie auf den gut gespurten Loipen beim Skifahren. 

Denn in der VUKA- Welt kann man nicht mehr davon ausgehen, dass sie zum richtigen Ziel führen. Hier agieren wir eher auf unberührten Schneefeldern, und um eine neue Spur im noch jungfräulichen Schnee
anzulegen, braucht es eine Änderung im gewohnten Bewegungsmuster.

(Dazu kannst du dir weiter unten einen kleinen Mitschnitt aus einem meiner Resilienz-Seminare ansehen: »Die Taschenlampe des Bewusstseins«.)

Menschen mit einem agilen Mindset stellen sich deshalb bewusst neuen Situationen und Erfahrungen und zwingen so Geist und Gehirn, sich ständig passend zum jeweiligen Kontext zu aktualisieren.

Das ist auch notwendig, denn agil zu arbeiten bedeutet einen ständigen Drahtseilakt:

Immer wieder muss neu entschieden werden, was wichtig, richtig und vor allem zielführend ist.

Achtsamkeit ermöglicht es uns, bei all dem ausbalanciert zu bleiben, entspannt die Komfortzone zu verlassen und unseren Geist zu flexibilisieren.

Nicht umsonst erfährt das Thema in Unternehmen seit einiger Zeit einen regelrechten Hype. 

Video: Die Taschenlampe des Bewusstseins

Achtsamkeit – das neue Koffein

Längst gilt Achtsamkeit als das »neue Koffein« im Silicon Valley.

Bei Google, Apple, Twitter, Facebook und Co. finden ganz selbstverständlich »Mindful Lunches«, Mittagessen in Schweigen und Meditation während der Arbeitszeit, statt.

Aber nicht nur Internetgiganten, auch Großbanken wie Barclays, Citigroup, JP Morgan und Goldman Sachs gehen inzwischen mit Achtsamkeitsübungen neue Wege, um ihre Mitarbeiter dabei zu unterstützen, mit der VUKA-Arbeitswelt besser umgehen zu können.

Und sogar das US-Militär hat Achtsamkeitstechniken in sein Ausbildungsprogramm integriert. Denn seit Wissenschaftler Veränderungen im Gehirn bereits nach acht Wochen Meditationstraining nachgewiesen haben, gilt Achtsamkeit als das neue Geheimrezept für gesteigerte Produktivität und Kreativität.

Auch in deutschen Unternehmen verliert Achtsamkeit langsam den esoterischen Beigeschmack und in Unternehmen wie SAP, BASF oder Bosch und dem Pharmakonzern AbbVie gehört Meditation inzwischen zum Alltag.

Und trotzdem stoße ich noch viel zu häufig auf Ablehnung oder belustigte Blicke, wenn ich mein »Achtsamkeit@Work«-Training in Unternehmen anbiete.

Ein Unternehmen im Sauerland, das ich seit mittlerweile zwölf Jahren als Kunden betreue, reagierte auf meinen Vorschlag beispielsweise so:

»Ach, Frau Maehrlein, wissen Sie, wir Sauerländer sind mehr so mit der Hand am Arm.«

Was das genau heißen sollte, habe ich nicht wirklich kapiert, aber ich habe verstanden, was gemeint war:

Achtsamkeit kommt für uns nicht infrage. Wie schade!

Umso mehr freut es mich, wenn ein »nüchterner« Milliardenkonzern wie SAP – ein Schwergewicht im DAX – auf Achtsamkeit setzt.

Und wenn die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse nicht »Hand am Arm« sind, dann weiß ich auch nicht:-)

Ergebnisse der SAP-Untersuchung zum hauseigenen Achtsamkeitsprogramm

Peter Bostelmann, Director, SAP Global Mindfulness Practice, hat ein globales Achtsamkeitsprogramm entwickelt und im Jahr 2013 bei SAP eingeführt. Tausende von Mitarbeitern haben an einem solchen Kurs oder an einem der Vertiefungsangebote wie achtsames Mittagessen, Achtsamkeitsnachmittage oder virtuelle Sessions teilgenommen.

Weitere Tausende von Kollegen stehen auf der Warteliste, um ihre Achtsamkeit zu trainieren. Die Wartezeit beträgt rund ein Jahr!

Das verwundert nicht, denn Befragungen der Programm-Teilnehmer zeigen:

Die Kurse sind erfolgreich.

Vier Wochen nach dem Kurs ist der Durchschnittswert

  • bei »Freude & Wohlbefinden« um 6,5 Prozent gestiegen,
  • beim Empfinden von »Sinn und Zufriedenheit« um 7,7,
  • bei »Konzentrationsfähigkeit« um 10 Prozent,
  • und der Grad an mentaler »Klarheit und Kreativität« für die Entwicklung von neuen Ideen und Lösungen um 7,4 Prozent.
  • Gleichzeitig ist das persönliche Empfinden von Überforderung und Stress um 5,2 Prozent gesunken.

Bemerkenswerterweise verstärken sich diese Effekte sogar über die Zeit, wie eine weitere Befragung ein halbes Jahr nach Ende der Maßnahme belegt.

Bostelmann sieht außerdem eine deutliche Steigerung des Engagements und des Vertrauens in Führungskräfte.

Als wenn das alles nicht schon beeindruckend genug wäre, spricht der Achtsamkeitsdirektor darüber hinaus von einem 200-prozentigen Return on Investment, der sich auf Basis des gestiegenen Employee Engagement Index und des Rückgangs an Krankheitsausfällen messen lässt.

Und das wirkt sich drastisch auf das Geschäftsergebnis aus:

bis zu 95 Millionen Euro mehr Gewinn pro Prozentpunkt Anstieg des jährlich gemessenen Employee Engagement Index und Business Health Culture Index.

Kein Wunder also, dass die SAP Achtsamkeit sehr umfänglich bei ihren Mitarbeitern und inzwischen auch bei ihren Kunden wie Siemens und Deutsche Telekom kultiviert.

SAP nutzt das erfolgreiche Achtsamkeitsprogramm sogar inzwischen auch dafür, Talente nach Walldorf zu locken. Denn dieses Angebot zur Stärkung der eigenen Persönlichkeit klingt für immer mehr Bewerber durchaus verheißungsvoll.

Und so werden vermutlich auch weiterhin am Standort Walldorf wie in den 50 größten Standorten weltweit jeden Tag halbstündige Meditationen angeleitet, es wird schweigend an »Mindful Lunches« teilgenommen - und selbst offizielle Meetings werden mit einer Atemübung zum »Runterkommen« gestartet.

Vielleicht hast du Lust, dir die Videoserie anzusehen, in denen SAP-Mitarbeiter über ihre Erfahrungen berichten? Die stellt SAP auf seiner Website hier zur Verfügung. 

Achtsamkeit – der Wunderdünger für ein agiles Mindset

Achtsamkeit ist nur scheinbar ein Gegenpol zur Agilität – sie ist vielmehr eine hervorragende Ergänzung.

Achtsamkeit steht zwar für Innehalten, Entschleunigen und bewusstes Handeln, während Agilität für Dynamik, Beweglichkeit, Geschwindigkeit und Experimentierfreude steht.

Weil sie uns aber hilft, aus Automatismen auszusteigen, funktioniert Achtsamkeit als Wunderdünger für die Entwicklung eines agilen Mindsets. 

Denn wer Achtsamkeit praktiziert, gewinnt den Freiraum, um mit klarem Geist aus einer Vielzahl von Handlungsoptionen zu wählen, statt einfach blind den eigenen Impulsen zu folgen.

So bekommen wir Zugriff auf unser komplettes Handlungsrepertoire, auch dann, wenn wir besonders gefährdet sind, in alte Automatismen zu verfallen – also beispielsweise unter Druck, Stress oder dem Einfluss von negativen Emotionen.

Dann nämlich steht uns das innere Sensorium, über das wir alle verfügen, um auch schwierige Situationen zu bewältigen, oft nicht mehr zur Verfügung:

Wir sind nicht fähig, auf unser Bauchgefühl und den gesunden Menschenverstand zuzugreifen und intuitiv angemessen im jeweiligen Moment zu reagieren.

Beides aber – der Zugang zur Intuition wie auch die Wahlfreiheit zwischen bewährten Automatismen und ungespurten, neuen Denkwegen – ist grundlegend für ein eigenverantwortliches Arbeiten.

Agilität ist ohne dieses Bewusstseinsmanagement also kaum möglich.

Weil aber Achtsamkeitspraktiken genau hier ansetzen, werden sie so zu einem sehr wirksamen Werkzeug für die Agilisierung von Mindsets. 

Kostenfreier Test: Hast du ein agiles Mindset? 

Das kannst du hier herausfinden.

Agilität braucht Bewusstseinsmanagement!

Mit achtsamen Praktiken bekommen wir Zugriff auf unsere Innenwelt, unsere Gedanken, Einstellungen und Emotionen und damit auf den sonst verschlossenen Ort, wo die eigene innere Einstellung – das Mindset – überprüft und verändert werden kann.

Schon nach acht Wochen Meditationspraxis lassen sich tatsächlich Veränderungen im Gehirn wissenschaftlich nachweisen:

Die Achtsamkeitsübungen helfen, neue neuronale Bahnen zu spuren – also beispielsweise zu lernen, dass Ausprobieren eine bessere Reaktion auf veränderte Ansprüche ist als ängstliches Beharren. 

Der achtsame Hebel für Agilität: Innehalten

Wie aber erreicht man das?

Die Antwort auf diese Frage mag überraschen, denn sie ist sowohl einfach als auch erstaunlich:

durch innehalten, atmen, den Moment beobachten und ihn lassen, wie er ist.

Gemeint ist die Fähigkeit, die Lücke zwischen einem auf uns einwirkenden Reiz und unserer spontanen Reaktion darauf zu erkennen und diesen Abstand bewusst zu vergrößern – also das Gehirn erst einmal zu bremsen, bevor es schnurstracks in die gespurten Automatismen abzweigt. 

Genau dazu ermächtigen uns Mindfulness und Meditation.

Vergrößere die Lücke zwischen Reiz und Reaktion! 

Wer anhand von Meditationsübungen lernt, seine Aufmerksamkeit zu fokussieren, wird außerdem nachweislich effizienter, produktiver, gelassener, kreativer und innovativer.

Der bekannte Harvard-Psychologe Daniel Goleman und der Neurowissenschaftler Richard Davidson benennen in ihrem Buch »Altered Traits« weitere Vorteile von Achtsamkeitspraxis:

Sie ermöglicht effektives Handeln unter schwer vorhersehbaren Umständen – wie sie im agilen Umfeld an der Tagesordnung sind – durch die Fähigkeit, Ruhe und einen klaren Kopf zu bewahren, offen zu bleiben und länger konzentriert bleiben zu können.

Darüber hinaus schärfst du mit Achtsamkeitspraxis deine emotionale Intelligenz, trainierst deine Selbstwahrnehmung und Emotionsregulierung, deine Fähigkeit zur Empathie und deine Resilienz.

All das brauchen wir als Menschen, um mit uns selbst und mit anderen freundlich umgehen zu können – wichtige Voraussetzungen für die im agilen Umfeld so wichtige vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit und einen wertschätzenden Umgang mit Diversity!

Denn der Umgang mit Konflikten ist gerade in der agilen Arbeitswelt eine große Herausforderung – unter anderem deshalb, weil die Hierarchien flacher werden.

Wenn wir Achtsamkeit praktizieren, werden wir entdecken, dass wir unseren Emotionen nicht ausgeliefert sind, und können deshalb angemessener mit Konflikten umgehen.

Regelmäßig Meditierende, die man mit aggressiven Gesprächspartnern konfrontiert, bleiben deshalb entspannt und können so auf das Verhalten ihres Gegenübers positiv und beruhigend einwirken.

Und: In meinen Achtsamkeitstrainings fällt mir immer wieder auf, dass sich vielen Menschen erst durch Achtsamkeitstechniken ein Ausweg aus dem Hamsterrad eröffnet, das sich durch die immer weiter zuneh- mende Verdichtung der Aufgaben immer schneller dreht.

Und ich erlebe hautnah die negativen Folgen.

Bei so manchem Seminarteilnehmer denke ich:

»Bitte finde doch JETZT zur Achtsamkeit und nicht erst, wenn du nach dem Burn-out in die Wiedereingliederung kommst ...« 

10 gute Gründe für Achtsamkeit im agilen Umfeld

Durch Achtsamkeitstraining lernst du,

  1. 1
    entspannter mit Veränderungen umzugehen und zuversichtlicher an neue Situationen heranzugehen,
  2. 2
    trotz Ablenkungen konzentriert zu bleiben und dem Impuls zu widerstehen, zu oft in ineffektives Multitasking zu verfallen,
  3. 3
    Eindrücke zu ordnen, ohne sich von ihnen überfluten zu lassen,
  4. 4
    Störreize auszublenden und selbst im Großraumbüro bei sich zu bleiben,
  5. 5
    besser mit Stress umzugehen,
  6. 6
    dich von dem Druck zu befreien, immer schnell reagieren zu müssen, und 
stattdessen Raum für Reflexion und Kreativität entstehen zu lassen,
  7. 7
    auch in Stresssituationen sicher auf mentale Ressourcen zugreifen zu können,
  8. 8
    Angstgefühle aktiv zu vermindern,
  9. 9
    dich seltener und kürzer in Problemen zu verstricken und das Karussell im 
Kopf zu stoppen, 

  10. 10
    deine Selbstbeherrschung zu verbessern.

Das agile Manifest achtsam umgesetzt

Wie das Zusammenspiel von Agilität und Achtsamkeit konkret aussehen kann, lässt sich gut entlang der im agilen Manifest niedergelegten Werte und Prinzipien verdeutlichen.

Und der Einstieg in die achtsame Agilisierung ist erstaunlich leicht. Keiner muss dafür täglich stundenlang meditieren. Praktizierende fühlen sich schon direkt nach den ersten Übungen nachweislich besser.

Im folgenden Teil stelle ich dir 4 der beliebtesten Übungen meiner Kunden vor – jedem der vier Werte des agilen Manifests habe ich jeweils eine Übungen zugeordnet. 

Außerdem bekommst du einen von mir angeleiteten »Bodyscan« – eine effiziente und bewährte Achtsamkeitsübung – als Audio zum Download zur Verfügung gestellt.

Möglicherweise erscheinen dir manche der Übungen profan. Sie haben sich trotzdem bei Hunderten von Seminarteilnehmern bewährt und sind ganz bewusst so konzipiert, dass sie wenig bis keine Zeit zusätzlich zu dem, was du sonst noch alles zu tun hast, kosten.

Denn was ich in meinem Job am häufigsten höre, ist: Keine Zeit! Niemand hat zu viel davon, oder?

Und: Verstehe die Übungen gerne wie das Angebot von Speisen auf einem exotischen Buffet:

Vielleicht ist etwas dabei, was du noch nie zuvor gegessen hast und von dem du dir auch jetzt nicht vorstellen kannst, es probieren zu wollen. Möglicherweise etwas so Ungewohntes wie Insekten oder Seeigel.

Aber du weißt ja: Versuch macht klug. Und jeder Versuch entwickelt dein Mindset. Auf geht’s! 

Alles, was du über Achtsamkeit wissen musst und viele weitere Übungen findest du in meinem Buch "Achtsamkeit ganz praktisch".

Achtsam agil I: Besser achtsam interagieren

Mit Achtsamkeitspraktiken lassen sich die im agilen Manifest niedergelegten Werte und Prinzipien einfach und ganz praktisch trainieren. Beispielsweise die Fähigkeit zu einem erfolgreichen zwischenmenschlichen Austausch, dessen besonderer Wert im ersten Leitsatz des Manifests festgestellt wird:

Dort wird betont, dass Interaktionen wichtiger sind als Prozesse und die Zusammenarbeit mit dem Kunden wichtiger als Leistungsbeschreibungen. 

Gelingende Gespräche und erfolgreiche Kooperation aber beginnen mit der Fähigkeit, genau zuzuhören und sich auf das Gegenüber zu konzentrieren. Leider tendiert unser Geist dazu, abzuschweifen und ins Tagträumen zu verfallen oder noch während das Gegenüber spricht, innerlich schon an der eigenen Antwort zu formulieren.

Dabei gehen allerdings viele Detailinformationen verloren. Auch kann es passieren, dass wir uns während des Gesprächs in einer Bewertung verfangen, die aus unserem »alten« Mindset kommt: Dann lassen wir uns auf die alten, gespurten Loipen schicken, statt unvoreingenommen zuzuhören.

Mit Achtsamkeit lässt sich all dies vermeiden – praktisch hilft hier beispielsweise die Übung »Fußsohlen spüren«.

Mehrere Hundert Teilnehmer meiner Workshops bestätigten, dass sie durch diese einfache Übung deutlich mehr Details des Gesagten mitbekommen und unvoreingenommen bei der Sache bleiben können. 

Übung »Fußsohlen spüren«

  • Spüre deine Fußsohlen, während dein Gegenüber spricht.
  • Du musst nicht deine volle Aufmerksamkeit auf die Füße richten: Es genügt, wenn du dich während des Zuhörens einfach gleichzeitig auf deine Fußsohlen besinnst und diese während des gesamten Prozesses des Zuhörens wie eine Hintergrundmelodie registrierst.
  • Damit dein Hirn dir erlaubt, auch in kritischen Situationen daran denken zu können, solltest du im ersten Schritt mindestens viermal in entspannten Situationen die Fähigkeit einüben, den Fokus gleichzeitig auf dem Zuhören und dem Wahrnehmen der Fußsohlen zu halten.
  • Dies kannst du beispielsweise in Meetings tun, beim Telefonieren, am Abendtisch, beim Autofahren oder wenn du Radio hörst.
  • Im zweiten Schritt nutzt du Gelegenheiten, bei denen du schon vorher weißt, dass sie kritisch werden können, als Übungsfeld.
  • Erst dann werden dir deine Fußsohlen auch spontan einfallen, wenn du unvorhergesehen in eine kritische Situation kommst.

Die Fähigkeit, sich seiner Fußsohlen bewusst zu sein, hat gleich mehrere Vorteile:

Außer dass das gedankliche Verbinden mit den Fußsohlen deinen Geist daran hindert, »mit dir Gassi zu gehen«, sorgt es dafür, dass du etwas Abstand vom Geschehen nehmen kannst und zum Beobachter wirst, statt automatisch zu reagieren.

Außerdem wird dein Gehirn keine Flucht-und-Kampf-, also Stresshormone, ausschütten.

Warum ist das so?

Immer wenn du unter Druck oder Stress gerätst, dich ärgerst oder die Situation am liebsten verlassen würdest, stellt dein Gehirn Stoffe zur Verfügung, die dich dazu befähigen sollen, zu flüchten oder zu kämpfen.

Das führt dazu, dass du quasi Scheuklappen aufgesetzt bekommst und nur noch eines im Sinn hast: Weg hier! 

Das ist grundsätzlich eine sehr sinnige Einrichtung der Natur, denn wenn beispielsweise ein Soldat im Krieg bei einem Angriff einen Arm verliert, wird er nicht erschrocken dastehen und seinen Arm betrauern - sondern im Autopilotmodus, ohne nachzudenken, sofort versuchen, sich zu retten.

Er wird meist nicht einmal den Schmerz spüren. Und er wird auch sonst nichts spüren – vor allem nicht seine Fußsohlen.

Wozu auch? Aufgrund unseres Wahrnehmungsfilters werden diese schon im normalen Alltag »weggefiltert« – es sei denn, du hättest dort Schmerzen. 

Was in einer solchen Situation lebensrettend und sinnvoll ist, sorgt allerdings eher für negative Folgen, wenn die gleiche Reaktion dann erfolgt, wenn du dich »nur« über einen Vorgesetzten oder den Inhalt eines Meetings ärgerst: Würdest du dann einfach gehen, käme das sicher nicht gut an.

Denke daran: dein Gehirn kann den Unterschied nicht erkennen! Jedes Mal wenn in dir Wut, Ärger und Stress auftauchen, ist für dein Gehirn Krieg!

Wenn du allerdings die Wahrnehmung deiner Fußsohlen »anschaltest«, informierst du damit dein Gehirn darüber, dass gar kein Krieg sein kann, denn schließlich spürst du ja deine Fußsohlen. 

So hat beispielsweise Timo F. – einer meiner Coachingkunden – im Gespräch mit seinem CEO mittlerweile vollen Zugriff auf bewusste und angemessene Reaktionen, die ihm zuvor nicht möglich waren, weil er sich dem strengen Vorgesetzten unterlegen fühlte - und sein Hirn den Ärger darüber als Krieg deklarierte und den entsprechenden Stresshormoncocktail ausschüttete. 

Achtsam agil II: Das Ergebnis achtsam fokussieren

Der zweite Leitsatz des Manifests legt den Schwerpunkt auf das erfolgreiche Ergebnis:

»Das funktionierende Produkt ist wichtiger als die sorgfältige Dokumentation des Weges dahin.«

Das klingt einfacher, als es ist, denn gerade in hektischen und stressigen Situationen verliert man häufig den Überblick und ist versucht, sich doch wieder nur auf die vorgegebenen Abläufe zu verlassen, egal, ob sie noch zum eigentlichen Ziel passen oder nicht.

Auch in solchen Momenten hilft achtsames Innehalten. Das lässt sich zum Beispiel mit dem »Muskel-Hirn-Trick« üben.

Er setzt bei den Muskeln an, die sich automatisch anspannen, wenn man in Stress kommt oder immenser Druck schon fast zu Panik führt - und führt über eine bewusste Anspannung zu einer allmählichen Lockerung der verschiedenen Körperteile.

Ein entspannter Körper aber entspannt automatisch auch den Geist, der sich dann besser daran erinnern kann, worum es eigentlich geht. 

Übung »Muskel-Hirn-Trick«

  • Spanne im ersten Schritt zunächst einmal alles an:
  • Stelle dich hin, atme tief ein, winkle die Ellenbogen an, ziehe den Kopf so zwischen die Schultern, dass sich dein Hals kürzer als normal anfühlt, und spanne gleichzeitig die Fäuste, die Arme, den Po und die Oberschenkel an.
  • Presse dabei die Lippen fest aufeinander, ziehe die Augenbrauen kräftig zusammen, und bleibe in dieser Spannung.
  • Halte den Atem an, solange du kannst. Zähle dabei bis mindestens zehn, dann lasse alles gleichzeitig los und atme dabei kräftig aus.
  • Wiederhole diese Übung noch zwei weitere Male. Danach gelingt die Entspannung leichter.

Achtsam agil III: Veränderungen achtsam willkommen heißen

Der vierte Leitsatz des agilen Manifests konstatiert, dass das Eingehen auf Veränderungen wichtiger ist als das Festhalten an einem Plan.

Dass das eine große Herausforderung sein kann, kann beispielsweise jede Managerin bestätigen, die aufgrund veränderter Rahmenbedingungen plötzlich umschwenken muss, obwohl sie sich gerade erst auf eine von oben verordnete Vorgehensweise ausgerichtet hatte.

Auch dieser agilen Forderung nach Flexibilität lässt sich mit Achtsamkeit begegnen.

Das fängt mit der bewussten Würdigung des Ärgers oder anderer negativer Emotionen an, die uns davon abhalten wollen, auf eine Veränderung einzugehen. Statt die Emotion wegzuschieben – das funktioniert ohnehin nicht –, hilft es, dem eigenen Gehirn ein Ersatzangebot zu machen und sich zu sagen:

»Ja, Gehirn, ich weiß, ich ärgere mich gerade. Aber jetzt möchte ich mich trotzdem mit XY beschäftigen.« Oft reicht das schon, um wieder zur eigentlichen Aufgabe zurückkehren und die eigene Aufmerksamkeit genau darauf bündeln zu können.

Wenn alles zu viel wird, kann man sich aber auch bewusst einmal kurz aus dem Chaos herauslösen: mit der Achtsamkeitstechnik »Beam me up, Scotty!«.

Hier wird ein persönlich wichtiger Ort vor dem inneren Auge möglichst sinnlich heraufbeschworen, um dort Ruhe zu finden und Distanz zum aktuellen Durcheinander aufzubauen.

Denn mit Abstand erkennt man meist leichter, dass alles gar nicht so schrecklich ist. 

Übung »Beam me up, Scotty!«

  • Wähle einen Ort aus, der für dich in besonderem Maße für Leichtigkeit, Lebensfreude und Gelassenheit steht – z.B. einen Urlaubsort, deine Lieblingswiese oder Omas Sofa.
  • Mitten im Tagesgeschäft kannst du dorthin zwar schlecht kurz verschwinden, doch du kannst diesen besonderen Ort und die Gelassenheit, die du dort empfindest, überallhin mitnehmen - indem du ihn visualisierst.
  • Stelle dir den Ort dazu so bildlich vor, dass du ihn riechen, spüren und hören kannst
  • .Vielleicht findest du auch einen kleinen Gegenstand, der symbolisch für diesen Ort steht. Ihn zu berühren erleichtert das Wegbeamen.
  • Wenn du inmitten des Chaos an deinen Ort denkst, wirst du plötzlich ruhig.
  •  Du gewinnst Abstand und wirst wahrscheinlich erkennen, dass alles gar nicht so schlimm ist. 

Achtsam agil IV: Die gelassene Weltsicht

Vor allem aber lässt sich mit Achtsamkeit eine grundsätzliche Haltung entwickeln, die auch die Essenz der Agilität darstellt:

der Standpunkt des »inneren Beobachters«, der unvoreingenommen und wohlwollend in die Welt schaut und alles, was ihm begegnet, wahrnimmt, ohne es direkt in Kategorien einzuteilen.

Nach dem Motto »Es ist, wie es ist« gelingt es achtsamen Menschen deshalb, auch unter großem Druck ruhig zu bleiben und einen klaren Kopf zu behalten, statt mit mentalen Automatismen zu reagieren.

Damit öffnet Achtsamkeit die Tür zu einer grundsätzlich positiven Perspektive und wirkt gegen einen wesentlichen Stressfaktor:

die menschliche Tendenz, vieles erst einmal negativ zu bewerten und mit dem Schlimmsten zu rechnen.

So bietet sie auch einen Ausweg aus der Angst, die die Wirbelstürme der VUKA-Welt bei vielen auslösen:

Wer achtsam ist, kann bei allem Trubel um sich herum innerlich zentriert sein und langfristig in Balance bleiben – und so nicht nur das agile Mindset weiterentwickeln, sondern auch die eigenen Ressourcen be- wusst einsetzen und die eigene Gesundheit erhalten. 

Übung »Atemtreppe«

Bewusstes Atmen ist ein wirkungsvolles, nebenwirkungsfreies Beruhigungsmittel. Vor allem wenn man länger aus- als einatmet.

Denn es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Emotionen, Atmung und Herzfrequenz.

(Einer der Gründe, warum ich in meinem Kurs "Achtsamkeit ganz praktisch" und in der Ausbildung zum Achtsamkeit@Work-Trainer so gerne Biofeedback zur Herzratenvariabilität nutze.)

Aufwühlende Emotionen wie beispielsweise Angst und Wut sind automatisch mit raschen, flachen Atemzügen und Herzklopfen bzw. »Herzrasen« verbunden.

Auch wenn du dich unruhig, unter Druck, im Stress oder sonst wie ungut fühlst, sind sowohl dein Atem als auch dein Herz eher schneller unterwegs.

Vereinfacht in einer Formel ausgedrückt, stellt sich dieser Zusammenhang wie folgt dar:

aufwühlende Emotion = schneller Atem = schneller Herzschlag.

Wenn deine Emotionen abflauen oder du dich ruhig und entspannt fühlst, werden automatisch auch dein Atem und dein Herzschlag langsamer.

Also: innere Ruhe = langsames Atmen = langsamer Herzschlag.

Dein Atem beeinflusst also deine Herzfrequenz und damit dein Gefühl. Wenn du langsam atmest, drosselst du damit deinen Herzschlag und beruhigst deinen Gemütszustand.

Das heißt, du musst nicht warten, bis du dich von alleine beruhigst. Verlangsame und vertiefe stattdessen deinen Atem, stelle die Variablen der Formel um in:

langsames Atmen = langsamer Herzschlag = innere Ruhe.

Wie? 

  • Atme stufenweise in drei Schritten tief ein,
  • danach doppelt so lange aus, also in sechs Stufen.
  • Mache eine kurze Pause, bis die Einatmung von alleine wieder einsetzt,
  • und wiederhole die Übung noch viermal.
  •  Das kannst du beispielsweise kurz zwischendurch beim Gang zur Kantine oder ins Nachbarbüro einbauen. 

Mehr Übungen findest du in meinem Buch "Wie Agilität gelingt". Dort findest du außerdem zahlreiche Tests, Checklisten und konkrete Vorschläge, wie du dein agiles Mindset weiter entwickeln kannst.

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Die Autorin


Katharina Maehrlein, Beraterin, Certified Scrum Master und Agile Culture Coach, ist Expertin für die Themen Resilienz, Achtsamkeit und Agilität, zu denen sie mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben hat. Seit 1996 hat sie als Coach und Beraterin über 30.000 Führungskräfte aus Unternehmen vom Mittelstand bis zum Großkonzern dabei unterstützt, den täglichen Druck zu meistern und dabei ihre Mitarbeiter so zu führen, dass sie motiviert und leistungsfähig bleiben. Mit charmantem Pragmatismus sorgt sie dafür, dass Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Leistungskraft mit Leib und Seele einsetzen und auch unter Druck top performen.